8 Gründe, warum wir unsere Arbeit lieben
- Christoph Müller

- 5. Okt.
- 7 Min. Lesezeit

„Wenn du deine Arbeit liebst, arbeitet das Leben mit dir."
Vor einiger Zeit sass mir eine Frau gegenüber – erfolgreich, souverän, hoch angesehen in ihrer Firma. Auf dem Papier lief alles perfekt. Doch während sie sprach, sah ich, dass etwas Entscheidendes fehlte: Lebendigkeit.
Sie war müde. Nicht körperlich, sondern seelisch.
„Ich funktioniere einfach", sagte sie leise. „Ich mache meinen Job gut, aber ich spüre mich dabei nicht mehr."
Wir begannen, Schicht um Schicht abzutragen. Nicht an der Oberfläche, wo To-do-Listen und Zeitmanagement wohnen, sondern tiefer, dort, wo die alten Geschichten wirken. Nach und nach kam ans Licht, dass sie seit ihrer Kindheit glaubte, nur dann wertvoll zu sein, wenn sie perfekt ist.
Eines Tages, in einer dieser stillen Sitzungen, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie hielt inne, atmete tief und konnte zum ersten Mal sagen: „Ich darf unvollkommen sein. Und trotzdem gut."
Ein paar Wochen später schrieb sie mir: „Ich liebe meine Arbeit wieder. Nicht, weil sich etwas im Aussen verändert hat, sondern weil ich aufgehört habe, gegen mich zu kämpfen."
Genau das ist der Moment, wo Transformation geschieht: Wenn du aufhörst, gegen dich zu arbeiten und beginnst, mit dem Leben zu arbeiten.
Die erschreckende Realität – und wo sie beginnt
Laut Gallup Engagement Index 2024 haben 9 Prozent der Schweizer Beschäftigten innerlich gekündigt. 83 Prozent sind nur gering an ihren Arbeitgeber gebunden und leisten „Dienst nach Vorschrift". Das bedeutet: Von aktuell 5,361 Millionen erwerbstätigen Personen in der Schweiz haben 482'490 Menschen bereits innerlich gekündigt.
Die Zahlen dahinter sind ernüchternd: Produktivitätsverluste durch geringe emotionale Bindung verursachen jährlich Kosten von etwa 89,9 Milliarden Franken. Pro innerlich gekündigter Person sind das 186'532 Franken Produktivitätsverlust.
Doch hinter diesen Zahlen stehen Menschen. Menschen, die morgens aufwachen und sich fragen: „Wie schaffe ich das bloss?" statt „Was will ich heute erleben?"
Aber hier wird es wirklich interessant: Diese innere Kündigung beginnt nicht erst im Büro. Sie beginnt viel früher in den Klassenzimmern.
Unser Bildungssystem uniformiert, statt zu informieren. Schüler werden nach einem Einheitsmodell geformt, anstatt ihre individuellen Talente und Fähigkeiten zu entfalten. Die Konsequenz? Bereits viele junge Menschen ab Mitte 20 fallen in ein Burnout. Und in Deutschland sind über die Hälfte der Patienten in Burnout-Kliniken Lehrpersonen.
Lass dir das auf der Zunge zergehen: Die Menschen, die unsere Kinder bilden sollen, sind selbst am Ende ihrer Kräfte. Das System frisst seine eigenen Kinder und dann wundern wir uns, warum Erwachsene ihre Arbeit nicht lieben?
Die Wahrheit ist unbequem: Wir erziehen Menschen systematisch dazu, zu funktionieren statt zu leben. In der Schule lernen wir, wie man brav sitzt, nicht stört und Anweisungen folgt. Was wir nicht lernen? Wie man auf seine innere Stimme hört, seine Bedürfnisse erkennt und authentisch lebt.
Vielleicht bräuchte unser Bildungssystem nicht noch mehr Lehrpläne, sondern eine radikale Veränderung: Weg vom „Wie werde ich funktionsfähig?" hin zu „Wie werde ich lebendig?"
Was bedeutet es wirklich, seine Arbeit zu lieben?
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen „Arbeit lieben" und „sich mit der Arbeit abgefunden haben". Der wesentliche Unterschied liegt darin, ob ein Mensch sein Potenzial entfalten kann, sich vollständig fühlt, energievoll ist und seiner Lebensbestimmung folgt.
Stell dir vor, wir würden bereits in der Schule diese 8 Prinzipien lernen. Wie sähe unsere Arbeitswelt dann aus?
1. Hast du morgens ein Leuchten in den Augen?
Wenn Menschen ihre Arbeit wirklich lieben, freuen sie sich morgens darauf. Sie haben ein inneres Feuer, eine Lebendigkeit, die von innen strahlt. Es geht nicht darum, jeden Tag euphorisch aufzuspringen wie in einer Müsli-Werbung – aber es geht auch nicht darum, die Snooze-Taste fünfmal zu drücken, als wäre sie dein einziger Freund.
Reflektiere: Wie fühlst du dich, wenn der Wecker klingelt? Ist da Vorfreude oder eher ein „Noch fünf Minuten, bitte!"?
Was wäre, wenn wir in der Schule gelernt hätten: Dass es normal ist, sich auf das zu freuen, was man tut und dass ein Leben ohne Vorfreude ein Warnsignal ist, kein Normalzustand?
2. Wirst du als Subjekt oder als Objekt behandelt?
Wenn Menschen als Subjekt statt als Objekt angesehen und wertgeschätzt werden, wächst in ihnen die Neugier, Neues zu lernen, sich weiterzubilden und zu wachsen. Sie erleben ihre Arbeit als sinnstiftend und nicht als notwendiges Übel, um den Lebensunterhalt zu verdienen.
Reflektiere: Fühlst du dich in deiner Arbeit gesehen und wertgeschätzt für das, was du bist oder bist du eine Personalnummer?
Was wäre, wenn wir in der Schule gelernt hätten: Dass jeder Mensch einzigartig wertvoll ist, nicht wegen seiner Noten, sondern wegen seines Wesens?
3. Führst du Beziehungen auf Augenhöhe?
Wer seine Arbeit liebt, führt Beziehungen auf Augenhöhe, um miteinander zu wachsen, nicht als Konkurrenz. Es entsteht eine Kultur des Miteinanders statt des Gegeneinanders. Du kannst bei dir sein und dich selbst führen und lieben.
Reflektiere: Arbeitest du mit Menschen zusammen oder gegen sie? Kannst du authentisch sein oder musst du eine Rolle spielen?
Was wäre, wenn wir in der Schule gelernt hätten: Dass Konkurrenz nicht der natürliche Zustand ist, sondern Kooperation? Dass wir nicht gegeneinander antreten müssen, um wertvoll zu sein?
4. Hast du Energie oder fühlst du dich leer?
Menschen, die ihre Arbeit lieben, haben Energie. Sie fühlen sich vollständig und leben ihr volles Potenzial. Sie sind nicht am Montagmorgen bereits erschöpft vom kommenden Arbeitstag, sondern tragen eine innere Lebendigkeit in sich.
Reflektiere: Wie ist dein Energielevel? Füllst du dich auf oder leerst du dich aus bei der Arbeit? (Und nein, der dritte Kaffee zählt nicht als „Energie".)
Was wäre, wenn wir in der Schule gelernt hätten: Dass Erschöpfung ein Zeichen ist, dass etwas nicht stimmt ... nicht ein Beweis dafür, dass wir hart arbeiten?
5. Wirst du gefördert und gefordert – im guten Sinne?
Echte Arbeitsliebe entsteht dort, wo Menschen gefördert und gefordert werden, im guten Sinne. Nicht durch Druck und Angst, sondern durch Vertrauen und Wachstumsmöglichkeiten. Sie sind bereit, über sich selbst hinauszuwachsen und ihr Können mit anderen zu teilen.
Reflektiere: Siehst du in deiner Arbeit Entwicklungsmöglichkeiten oder stagnierst du seit Jahren?
Was wäre, wenn wir in der Schule gelernt hätten: Dass Fehler Lernchancen sind, nicht Katastrophen? Dass Wachstum wichtiger ist als Perfektion?
6. Was motiviert dich – Liebe oder Angst?
Das ist vielleicht die wichtigste Frage überhaupt. Wer seine Arbeit liebt, ist von Liebe motiviert und nicht von Angst. Nicht die Angst vor Jobverlust, nicht die Angst vor Ablehnung, nicht die Angst zu versagen, sondern die Liebe zum Tun, zur Wirkung und zum Beitrag.
Reflektiere: Was treibt dich morgens aus dem Bett? Die Freude am Gestalten oder die Angst vor Konsequenzen?
Was wäre, wenn wir in der Schule gelernt hätten: Dass intrinsische Motivation stärker ist als jede Drohung? Dass Neugier ein besserer Lehrer ist als Notendruck?
7. Kannst du dich selbst sein?
Menschen, die ihre Arbeit lieben, können bei sich sein. Sie müssen keine Maske tragen, keine Rolle spielen, die nicht zu ihnen passt. Sie dürfen authentisch sein mit ihren Stärken und auch mit ihren Grenzen.
Reflektiere: Wie viel Prozent von dir selbst darfst du bei der Arbeit zeigen? Oder hast du eine „Arbeitspersönlichkeit" und eine „echte Persönlichkeit"?
Was wäre, wenn wir in der Schule gelernt hätten: Dass Authentizität keine Schwäche ist, sondern eine Stärke? Dass wir nicht alle gleich sein müssen, um wertvoll zu sein?
8. Erlebst du Sinn oder Sinnlosigkeit?
Arbeit, die wir lieben, ist sinnstiftend. Sie gibt uns das Gefühl, einen Beitrag zu leisten, etwas Bedeutungsvolles zu tun. Nicht unbedingt „die Welt retten" (obwohl das auch schön wäre), aber das Gefühl, dass das, was wir tun, einen Unterschied macht.
Reflektiere: Spürst du den Sinn in dem, was du tust? Oder fragst du dich manchmal: „Wofür das alles?"
Was wäre, wenn wir in der Schule gelernt hätten: Dass Sinn wichtiger ist als Status? Dass die Frage „Was will ich beitragen?" bedeutsamer ist als „Was kann ich verdienen?"
Als ich lernte, meine Arbeit wieder zu lieben
Ich glaubte lange, dass Zufriedenheit etwas ist, das man sich verdienen muss. Durch Leistung, Anerkennung, Erfolg und möglichst viel Perfektion.
Ich war stolz darauf, alles unter Kontrolle zu haben. Fehlerlos zu arbeiten war mein Markenzeichen. Bis eines Tages meine jährliche Lohnerhöhung ausblieb. Plötzlich fühlte ich mich übergangen, nicht gesehen und verletzt. In mir tobte ein Sturm aus Enttäuschung und Beleidigtsein. Ich ging in den Angriff und in die Verteidigung nach vorne. Der Konflikt eskalierte bis in die Geschäftsleitung.
Zur selben Zeit steckte ich mitten in einer schmerzhaften Scheidung. Auch dort kämpfte ich um Gerechtigkeit – im Aussen, mit aller Kraft.
Dann kam der Zusammenbruch. Job weg. Gesundheit weg. Alles, worauf ich mein Selbstbild gebaut hatte, zerfiel. Ich nannte es damals Burnout, doch in Wahrheit war es der Verlust der Verbindung zu mir selbst.
Erst als ich aufhörte, gegen etwas zu kämpfen, begann sich etwas Entscheidendes zu verändern. Ich lernte, für mich einzustehen statt gegen andere. Ich hörte auf, mich von Anerkennung abhängig zu machen, und begann, meiner inneren Stimme zuzuhören.
Und da geschah etwas, das kein Geld der Welt kaufen kann: Ich fand meine Ruhe, meine Lebendigkeit, meine Freude an der Arbeit, weil ich wieder ich selbst war.
Wenn du deine Arbeit wirklich liebst und annimmst, was ist, dann arbeitest du nicht mehr gegen das Leben, sondern mit ihm. Dann geschieht Zufriedenheit ganz von selbst.
Was jetzt möglich ist
Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät, umzulernen. Was wir in der Schule nicht gelernt haben, können wir heute lernen. Was das System uns nicht beigebracht hat, können wir uns selbst beibringen.
Als psychosomatischer Gesundheitscoach und BGM-Erfahrener begleite ich Menschen und Organisationen dabei, diese Verbindung wiederherzustellen. Nicht durch oberflächliche Wellness-Massnahmen, sondern durch echte Transformation von innen nach aussen.
Wenn du spürst, dass dir die Freude an deiner Arbeit verloren gegangen ist, dass du funktionierst statt lebst, dass da ein Leuchten in dir wartet, das wieder entfacht werden will … dann lass uns sprechen: hallo@leidfrei.com
Gemeinsam können wir schauen, was wirklich hinter deiner inneren Kündigung steckt und wie der Weg zurück zur Lebendigkeit aussieht. Nicht nur für dich persönlich, sondern auch für dein Team, deine Organisation, deine Arbeitswelt.
Denn eines ist klar: Wir müssen nicht warten, bis das Bildungssystem sich verändert. Wir können heute anfangen, uns selbst das beizubringen, was wir nie gelernt haben.
Die Frage ist nur: Bist du bereit?
Herzlich
Christoph Müller
PS: In meinem kommenden Experten-Ratgeber, der noch dieses Jahr erscheint, gehe ich tiefer auf die Zusammenhänge zwischen innerer Kündigung, psychosomatischen Beschwerden und echter Transformation ein. Mehr dazu in Kürze.




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